Was soll das Ganze

Eine Untersuchung über den menschlichen Verstand und seine Idee vom Glück.


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Anhang : Die Bewegung des Ganzen in der Geschichte.

Das Eine war zerfallen in viele,
die jeweils Eins sind.

Die Abstraktion des Ganzen führt in ziemlich luftige Höhen; sie braucht ein natürliches Standbein, etwas Vorstellbares, wenn ihre Idee nicht verloren gehen soll. Das kann ein Erlebnis sein, das können Geschichten oder Bilder bis hin zu Träumen sein. Wesentlich kommt es darauf an, ob und wie sich die Teile ergänzen (im Wortsinne). Das Erlebnis der einfachen Einheit bleibt nach dem Gesagten ohnehin verwehrt. Real kommen vor nur die Teile, die aneinander stoßen und reiben, anziehend oder abstoßend wirken. An ihrer Berührung hängen Empfindung, Erkenntnis und Wissenschaft, dort, im lebendigen Begreifen und Spüren werden Gegenstände merklich, spreizen sich Dinge ein in die Haut des Ganzen, graben ihre Spuren in Gedächtnis und Überlieferung.

In der Geschichte unserer Kultur taucht die philosophische Scheidung des Einen gegenüber dem Vielen etwa 600 Jahre vor unserer Zeitrechnung auf. Die Herren Thales (* ca. 624) und Kollegen suchten nach der Einheit des Wirklichen, einem Prinzipium, das alles trägt und fortpflanzt, etwas auch, an dem das Denken, Meinen und Urteilen sicheren Halt finden kann. Das Neue ihrer Frage war, dass ihnen kein umtriebiger Gott oder gewaltiger Dämon genügen konnte. Sie wollten nicht glauben, sondern sehen und wissen, wie alles in Einem zusammenhängt.

Die ersten Ansätze vermuteten das einigende Prinzip in der Natur. Elemente wie Erde, Feuer oder Wasser schienen universal genug, um eine Letztbegründung herzugeben. Doch mussten alle Versuche, eine natürliche Materie als einigendes Element zu fixieren, scheitern. Der Verstand kann sich nicht einfach herausdenken. Anaximander, ein später Zeitgenosse des Thales, spürte das Ungenügen des Ansatzes bei Naturelementen und wagte den Griff über alle Erscheinung hinaus in die Idee des Unendlichen. Das Unendliche, Apeiron . . .  ein offenes Meer von Möglichkeiten, dessen Küsten in das Nichts ragen. Die Einheit wird in diesem Begriff zur atmosphärischen Spannung verdichtet, eingeatmet und eingesogen mit jeder körperlichen Regung.

Eine schöne Idee, vielleicht noch zu abgehoben für seine Zeitgenossen. Anaximanders Schüler Anaximenes nahm das Ganze wieder zurück in den natürlichen Raum, indem er Luft als einigendes Prinzip annahm. Freilich mit der zusätzlichen Differenzierung einer inneren Kraft, die dem Stoff innewohnt, wie auch die Seele nach ihm ein Luftwesen ist und sich differenziert nach eigenem Antrieb. Doch weder mit dem Unendlichen noch mit der Luft war Entscheidendes gewonnen in der Frage der Erkenntnis der Dinge. Es fehlte jede Erklärung, weshalb das Prinzip genau zu der Erscheinungswelt führt, die wir vor uns haben. Ein Maß des Wirklichen war so nicht zu gewinnen.

Es war der berühmte Heraklit (* 540), der erstmals den Logos oder die Vernunft ins Spiel brachte. Ein intelligentes, ja göttliches Schema von Teilung und Gliederung, in Wort, Satz und Rede verdinglicht, ein Medium, in dem die Einheit zur unendlichen Aufgabe wird: „Aufgabe“ zwiefach verstanden: einerseits das Aufgeben der Einheit in Richtung der analytischen Teilung, andererseits die Aufgabe, in dieser Teilung die Einheit des Ganzen zu wahren beziehungsweise, im Ideal gedacht, wieder zu ihr zurück zu finden im vollständigen Wissen aller Teile sowie ihrer Zusammenhänge im Ganzen.

Der Satz des Heraklit lautet: Du kannst nicht zweimal in denselben Fluss steigen! Weil der Fluss sich wandelt wie das Lebendige. Der eine Fluss ist niemals ganz der selbe. Wie der eine Mensch in verschiedenen Handlungen niemals ganz der selbe ist. Es gibt diesen einen Fluss streng genommen gar nicht, es gibt nur den einen Namen für ein sich stets wandelndes Ereignis. Die Donau mag warm oder kalt, klar oder trübe, in Deutschland oder Ungarn fließen, sie bleibt die Donau. Das ist der Name, mit dem dieser Wasserlauf gegenüber anderen Dingen abgegrenzt wird. Was in dieser Einheit Sache ist oder welche Eigenschaften das Ganze birgt, das sagt uns der Begriff nicht. Das müssen wir erfahren, entweder indem wir selbst hinfahren, oder indem wir uns von anderen berichten lassen. Wir werden bei näherer Nachforschung feststellen, dass vielerlei verschiedene Erfahrungen an den Begriff Donau geknüpft sind. Man kann darüber streiten, was die definitiven, kennzeichnenden Eigenschaften von "Donau" sind. In solchem Streit, was etwas wirklich ist, liegt für Heraklit der eigentlich kreative Impuls des Menschen. Ein Kampf oder Krieg um das Ganze, wie ihn Heraklit zum „Vater aller Dinge“ erhob.

Die Ionier und Heraklit waren gewaltig vorgedrungen in der Abstraktion. Zu weit beinahe: Anstatt eine gefestigte Einheit zu erreichen, brachten sie das Ganze ins Schwimmen. Nichts schien mehr zu halten, Bestand zu haben. Parmenides aus Elea war der philosophische Fels, der sich dem ungestümen Werden entgegen. stellte. Sein Lehrgedicht arbeitete ein reines unveränderliches Sein heraus, in dem Argument, dass in jedem Werden notwendig ein Nichtsein mitgedacht ist, weil wenn etwas wird, dann ist etwas noch nicht. Ein Nichtsein aber kann unmöglich zu denken sein, weil an nichts denken heißt gar nicht denken. So bleibt nur das Etwas, das ist, und keine Spur von Werden.

Parmenides positionierte sich konsequent auf der Seite des Begriffs und tat alle Bewegung ab in eine Welt des Scheins. Sein Prinzip ist das Urteil, in dem ein Sachverhalt ausgesagt ist. Damit kommt der Begriff selbstverständlich zum Halt. Alle Zerteilung und Zerlegung nach Raum und Zeit, wo, wann und von wem worüber etwas ausgesagt ist, folgen der Erscheinung. Das ändert nichts an der Logik der Aussage, die das Eine mit dem Anderen in Beziehung setzt. Parmenides und die Eleaten fassten erstmals das Denken als eigene Instanz von Wahrheit und gaben die Richtung vor in die Dialektik eines Sokrates oder Hegel.

Einen weiteren, bedeutenden Schritt in der Entwicklung des Ganzen tat Empedokles. Er setzte die Differenz vom Einfachen des Begriffs gegenüber der Vielfalt seiner Erscheinungen produktiv um, verband das analytische Modell des Heraklit'schen Logos mit der Einheit unendlichen Seins und wagte den philosophischen Spagat, die Abstraktion auf den Boden der Tatsachen zu bringen (beziehungsweise die Tatsachen in die Höhe der Abstraktion zu heben). Die Beziehung der Elemente hieß nun Liebe und Streit, zwei Bewegungen oder Triebkräfte, die Dinge und Eigenschaften miteinander vereinigen oder trennen.

Das Ganze war unter der Hand ein emotionales Ganzes geworden, bestehend aus mehreren Grundstücken, die sich einmal fügen und ein andermal widerstreben. Der Beginn eines in sich mobilen Systems, dessen Teile allesamt in einem mythischen Urgrund ruhen, für den Empedokles keinen Namen mehr finden wollte. Der Begriff Gott tat ihm so weit Genüge. Was vielleicht auch daran lag, dass er so wenig wie seine Vorgänger die Unterscheidung von Ding und Gedanke vollzog. Er konnte sich und sein Denken nicht trennen von dem, was in diesem Denken gedacht war. Dennoch machte er den ungeheuer folgenreichen Schritt in die Einheit eines Ganzen auf der Basis zweier Kräfte, die sich nach ihrer Natur im Widerstreit befinden. Wobei die Macht scheinbar auf der Seite des Streites liegt, doch die Tendenz des Ganzen geht der Liebe nach, in deren gültiger Vereinigung als „Sphairos“ letztlich das Sein des Parmenides sich realisieren sollte. Das allerdings keine haltbare Existenz ausgibt, weil „der Streit wieder die Elemente trenne und diese Welt werden lasse“ (nach „Arist. Met II 4._ 31 A 52).

Ein ewiges Hin-und-her also und der Augenblick des reinen Seins erscheint unendlich kurz. Und es versteht sich, dass die Dinge lediglich innerhalb der Welt unterscheidbar sein können und der Begriff des Ganzen Sinn findet im „Sphairos“, in dem alles Eins ist. Eine ‚Ursuppe’, aus der die Elemente heraustreten. In ihrer Komposition entsteht Welt. Ein reales Ganzes, dessen konkrete Gestalt weitest gehend dem Zufall überlassen bleibt, wie Empedokles meinte. Keine zielgerichtete Vernunft oder so, lediglich ein Abarbeiten von Energie.

Die Welt als Cocktail, gemixt aus den Elementen, gewürzt mit dem Zufall bunter Begegnungen. Die empfindlich wirken in den Zug- oder Druckkräften der Emotionen. Empedokles war der erste moderne Denker. Die Abstraktion wurde plastisch und zum praktischen Konzept der Erklärung von Natur. Zugleich der Einstieg in die Ausbildung von Wissenschaft, systematisch, nach Prinzipien vorgetragen. Das Ding war Gegenstand der Forschung geworden, ohne dass Empedokles selbst schon daran gedacht hätte. Erst Protagoras, einem weiteren Markstein der Interpretation des Ganzen, fiel auf, dass doch  der Mensch denkt, und sein Satz, der Mensch sei das Maß aller Dinge, gibt der Überlegung die entscheidende Wendung: Das Denken beginnt sich selbst zu begreifen, als eigene Instanz, die ihr eigenes Recht hat.

Die späteren Sophisten nahmen dieses Recht beim Wort und gestanden dem Denken alle möglichen Freiheiten zu. Sicher waren sie nicht die ersten, die erkannten, dass gut argumentiert schon halb gewonnen bedeutet, mögen sich die Dinge, sachlich gesprochen, verhalten wie sie wollen. Der Homo politicus wusste das schon längst: Die Einheit der Argumente schafft politische Kraft. Argumente freilich sind Teile des Verstandes und nicht der Dinge. Überzeugung und damit gemeinsame Kraft folgt der stimmigen Rede, das war der Punkt der Rhapsoden und Rhetoren. Zunächst ein beliebiges, zufälliges Muster, dessen einziges Maß in der Übereinstimmung von Redner und Hörer liegt. Natürlich braucht die politische Macht vielerlei Hörer auf ihrer Seite, den Sophisten genügten bereits einige, die ihnen ihre Weisheit bezahlten. Allerdings eine etwas liebes- oder gelddienerische Wahrheit nach der Nase der Kundschaft.

Sokrates aber, der Menschenkenner und Wahrheitsliebhaber beklagte das und führte in seinen Gesprächen auf dem Marktplatz die Meinungen und Aussagen der Sophisten gerne ad absurdum, indem er zeigte, dass sie sich letztlich selbst widerlegen. Sokrates war die ganz eigene Gestalt, die alles verstanden, aber nichts begriffen hatte. Deshalb wollte er auch nichts aufschreiben, weil er wusste, dass er nichts wusste. Freilich war das keine geniale Bescheidenheit, sondern ein klares Gefühl für das Paradox, das er zum Ausdruck brachte. Ein Paradox des Wissens wie des Lebens, das er in seinem freiwilligen Trunk des Schierlingsbechers Aufsehen erregend beendete. Der Tod konnte ihn so wenig schrecken wie das Nichtwissen. Das Eine existiert durch das Andere. Seine Methode der Dialektik, die darauf aus war, den Gesprächspartner in den Widerspruch seiner eigenen Aussage zu treiben, die Schwelle zum Nein überschreitend, war der sokratische Weg, den oder die Partner zur Anerkennung ihres Nichtwissens zu führen. Um Vorurteile, Stereotypen und Ressentiments aus der Bahn zu räumen. Das war der tiefe Glaube oder schöne Traum des Sokrates, dass das unverstellte Denken notwendig zum Guten führe. Jeder wahre Schritt galt ihm als Erinnerung an das inwändige Wissen, das wie ein guter Dämon über den Menschen wacht.

Das sokratische Ganze definiert einen Verstand, der seine Einheit fühlt, doch nicht fassen kann. Die Logik gibt das einzige Mittel, die Konsistenz des Sinns zu wahren. Gerechtigkeit unter den Teilen und im Ganzen lautet die Forderung. Sowohl im einzelnen Menschen als auch im Staat. Die Tugendlehre zeigt sich spätestens bei Plato als mathematische Prozedur der Integration des Kleineren in das Größere. Mengenlehre gewissermaßen, wobei die Mengen durchaus politische Dimensionen besitzen. Sokrates, der gute Mensch von Athen, wollte die politische Macht nach der Tugend ausrichten und damit dem Trend der Zeit, nämlich die Tugend an der Machtfrage zu orientieren, entgegen wirken. Dem stillen Gottesdienst an Verstand und Gefühl huldigen. Ohne weiteren als Anspruch als zum Guten.

Erst sein Schüler Platon goss ein System aus diesem Anfang; kompensierte das Nichtwissen nach der Art des Parmenides im Entwurf unveränderlicher Ideen. Damit wäre sein Lehrer wahrscheinlich nicht einverstanden gewesen, doch Sokrates war tot und Plato brauchte einen Halt für das Gute, das Sokrates als Mensch so überzeugend vertreten hatte. Von Plato ist im Text ausführlicher die Rede, weshalb hier der Hinweis genügt, dass mit ihm das Flüssige des sokratischen Gesprächs sich verfestigte im Gebäude einer Vernunft. Das Ganze war selbst-bewusst geworden und maßte sich an, seine Welt einzuteilen nach einem Mehr oder Weniger. Die Richtung der Teilhabe am Ganzen wurde zum Kriterium eines Wertkosmos, der seine Spitze im vollkommenen Staat ausbildet.

Das einfache und in sich widersprüchliche Prinzip von Vernunft oder Logos hatte endgültig eine politische Dimension erreicht. Es ging nun darum, Dinge und Menschen nach ihrer möglichen Teilhabe in Hinsicht des Ganzen zu verwalten. Nicht Aufklärung, wie bei Sokrates, sondern vernünftige Herrschaft wurde das Ziel. Platons Nachfolger Aristoteles, über den ebenfalls an anderer Stelle gehandelt wird, verabschiedete sich dann endgültig von mystischen Einflechtungen und pädagogischen Akzenten, setzte die Ideen zurück in reine Formen, die als Ordnungsprinzipien in den Dingen selbst wirken. Aristoteles verstand einzuteilen und zu unterscheiden. Er bestimmte das Ganze in der Summe seiner Teile und brachte die Analysis erstmals konsequent und radikal zum Einsatz. So wurde er zum Vater der Wissenschaften und Meisterdenker über die Jahrhunderte bis hin zum Einbruch der Neuzeit.

Der abendländische Mensch hatte sich realisiert in Gedanken und befreit vom religiösen Kosmos; er war seine eigene Macht geworden, in Diskurs und Rede, in Text und Interpretation. Beobachtung und Theorie sollten zur prägenden Kraft in der Gestaltung der Verhältnisse werden. In der Realisation der permanenten Veränderung unter Aufstellung der Idee als Vorstellung der Ziellage allen vernünftigen Handelns kommt das Ganze in die Linie des Fortschritts. Eine sinnvolle Entwicklung hin zum Besseren, ein Aufstieg zum Einen, Emanation, wie der Neuplatoniker Plotin das gut fünfhundert Jahre nach Platon und Aristoteles beschrieb. Die Ambition des Eigenen hatte das Ganze ergriffen; der Mensch suchte explizit seine Einheit, sowohl für sich als Seele als auch im Politischen des Staates.

Kirchenvater Augustinus legte dann beides in christlicher Sicht nach der Idee des einigen Gottes aus. Der Weltprozess bekam Ziel und Richtung nach der religiösen Heilslehre, und das Ganze erhielt die Kontur eines Gottesstaates. Damit war die Maßregel gesetzt für eine Welt, die in fortschreitender Entwicklung zum Besseren strebt. Richtschnur und Leitfaden war die Liebe zum christlichen Gott, die in der Kirche ihre Institution gefunden hatte. Die Übernahme des Christentums als Staatsreligion durch Kaiser Konstantin tat das Übrige, die Welt nach der Einheit einer vernünftigen Schöpfung zu bestimmen. Die Quelle des persönlichen Gottes schien diese Einheit zu verbürgen. So ergibt sich, dass „angesichts der Zusammenfassung des Weltalls und der bis aufs letzte geordneten Verbundenheit der ganzen Schöpfung, die alle Räume, alle Zeiten in sich fasst, die Erschaffung auch nicht eines einzigen Menschen überflüssig sein kann, wo kein einziges Baumblatt überflüssig erschaffen wird“, wie Augustinus in seiner Schrift über den freien Willen sagt (DfW III 66).

Damit war der Kern des abendländischen Ganzen aus Mensch, Natur und Welt ausformuliert. Ein Zusammenhang, der seine ideale Vorstellung im göttlichen Menschen hat. Der Zufall konnte in solchem Modell lediglich als Defizit der Erkenntnis gefasst werden. War dieses Ganze doch stringent durchkonstruiert als das Werk des einen Gottes. Der Mensch stand nun in der absoluten Verpflichtung auf das Ganze, sowohl im Denken als im Handeln. Die großen Summen der mittelalterlichen Theologen Albertus Magnus sowie Thomas von Aquin dienten dieser Ideologie ebenso wie die Eroberungszüge und Missionen der weltlichen Herrschaft oder der Kirche. Das wahre Ganze fasste schließlich alle Äußerungen von Mensch und Welt in sich, weshalb es nur konsequent war, die Integration aller Erfahrungen und Lebensäußerungen in den einen Kontext anzustreben.

Auch der Sprung in die Aufklärung des 16. Jahrhunderts wechselte diesen Kontext nicht; allein die Interpretation verschob sich von der Einheit Gottes zur Einheit der Natur. „Deus sive Natura“, Gott oder die Natur fasste der niederländische Linsenschleifer Baruch de Spinoza zusammen und bereitete die Bahn für eine Naturforschung, die sich unmittelbar als Gottesdienst verstehen konnte. Ein seltsamer Gottesdienst allerdings, der alles zerteilte, was ihm vor Augen kam. Die Geburt des selbstgewissen analytischen Bewusstseins mit einer Mission äußerte sich primär in der Verbreitung der eigenen Methode, die freilich auch eine eigene Art die Dinge zu sehen einschloss. René Descartes hieß der erste Meister der neuen Lehre. Auch von ihm ist die Rede anderweitig.

Die Nachfolger des Descartes, die ich als Meilensteine hin zu unserem nächsten Revolutionär noch erwähnen will, nahmen die empfindliche Lücke seiner Logik zum Anlass, seine Thesen reiner mathematischer Vernunft umzuformen.

Zuerst der niederländische Linsenschleifer Baruch Spinoza (1632-1677). Er setzte Gott von Haus aus in Eins mit der Natur (Deus sive natura) und erschlug das Descartes’sche Dilemma schon im Ansatz, weil es gibt keine Frage mehr, wie zu einem verständigen Miteinander kommen, wenn doch das Miteinander grundsätzlich wirklich ist in der natürlichen Einheit der Dinge. Und „jenes ewige und unendliche Sein, das wir Gott oder die Natur nennen, handelt mit der selben Notwendigkeit, mit der es existiert“ (Ethik, Einl., 2. Abs).

Spinoza, der offenbar ein gefühlvollerer Mensch war als Descartes und nicht allein dachte, sondern auch spürte, dass die Dinge wirklich sind, nahm Gott als den Handelnden und fand das Ideal im unmittelbaren Mitgehen des Denkens in der natürlichen Bewegung der Dinge, was nach der Ineinssetzung von Gott und Natur zugleich ein Teilhaben im göttlichen Wirken bedeutet. Er zielt auf das meditative Schwingen des Teils im Ganzen, wie das Descartes im Prinzip seiner Methode vorgab, doch Descartes isolierte den Teil, der Ich sagt zu sich selbst, als ein Ganzes, was eben den Zweifel brachte, ob es überhaupt etwas geben könne außer diesem Ich.

Spinoza hält nun den Verstand grundsätzlich offen hin zum größeren Ganzen namens Gott oder die Natur, er zweifelt nicht, und kommt folgerichtig zu der Erkenntnis, dass jede Trennung der Dinge voneinander nur scheinbar ist. Denn es ist nur ein Licht, das wohl in verschiedenen Brechungen aufscheint, doch einer einzigen Quelle entstammt, die alles bewirkt, was wirklich ist. Hier kommt der Linsenschleifer durch, der mit der prismatischen Teilung des Lichtes arbeitet und weiß, dass alle Teilung nur scheinbar ist, zwar wirkt im Anschein des menschlichen Auges, aber doch nicht wirklich ist in dem Sinn, dass eine Farbe unabhängig vom Einfall des Lichts selbstständig existieren könnte.

Alles Denken muss notwendig immer wieder zum Einssein zurück führen, davon ist Spinoza überzeugt, und das Zerteilen des Einen nach Begriffen ist im Grunde schon eine Schwäche des Verstandes, der sich nicht halten kann in der natürlichen Einheit des Ganzen. Ein Fehltritt genügt freilich schon, dass der Mensch den rechten Weg verfehlt und den Umweg des Nachdenkens und Überlegens beschreiten muss, um erneut in die Spur des Wirkens der göttlichen Kraft zu kommen. Ein Denken aus der Not der Verfehlung, kein produktives Wirken aus eigener Kraft.

Das Ideal des Spinoza erfüllt sich in der absolut reinen Betrachtung, dem Einswerden mit dem Lauf der Dinge, das weder Schmerz noch Wehmut kennt, weil das Ganze ist gut. Eine Lehre, die in Richtung Nirwana geht und ein eigenes Wollen des Menschen in der Abhebung vom Wirklichen nur auf der Grundlage anerkennen kann, dass die Verirrung schon stattgefunden hat. Was allerdings für den gläubigen Juden Spinoza in der Tat der Fall war mit der Vertreibung des Menschen aus dem Paradies. Eine Verbesserung der Naturdinge anzustreben wäre indessen absurd nach dieser Voraussetzung, einzig die Läuterung des gefallenen Menschen ist sinnvolle Aufgabe, denn im Übrigen ist alles notwendig so, wie es ist, und die ganze Weisheit besteht darin, dies anzunehmen und umgehen zu lernen mit sich und der Welt.

Kein Wunder, dass Spinoza keine Nachfolger fand, denn seine Lehre lässt keinen Spielraum für den Drang zum Besseren in der Welt, auch wenn sein Modell von der absoluten Identität des Verschiedenen in seiner radikalen Geschlossenheit und Ausgeglichenheit auf ästhetisch orientierte Geister wie beispielsweise Goethe faszinierend wirkte. Fruchtbarer schien da schon ein anderer Ansatz, den der Franzose Nicolas Malebranche (1638-1715) ins Spiel brachte. Er setzte Gott weder gleich mit der Natur noch sprach er ihm jede eigene Wirksamkeit in der Welt ab, wie Descartes das tat. Er meinte, Gott wirke tatsächlich mit in jedem Akt des Verstandes, helfe die Beziehung vom Einen zum anderen richtig zu stellen, fallweise! Ein Gott ähnlich einem Administrator, der in steter Wachsamkeit jeden Einfall erfasst und aufgreift in Richtung des Dings, das gemeint ist. Was allerdings die Macht dieses Gottes fragwürdig macht, weil ja offenbar nicht jede Vermittlung gelingt, Verstehen daneben gehen und menschliches Tun grausam scheitern kann. Oder sollte Gott das so wollen? Kann ein reiner Verstand überhaupt etwas wollen? Oder handelt er mit der Notwendigkeit eines Naturgesetzes, wie Spinoza das annahm? Wie kommt der Mensch dazu, Dinge nach eigenen Ideen verändern und gestalten zu wollen?

Macht oder Ohnmacht des Prinzips, das war die Frage, um die sich in der Nachfolge des Descartes alles drehte. Die Beziehung der einfachen Idee zur Vielfalt der Dinge, die nach dieser Idee wirken und wirklich sind, war zu klären. Der deutsche Stargelehrte Gottfried Wilhelm Leibniz (1646-1716) hatte dazu die mittlere Lösung parat. Leibniz löste das Dilemma, indem er die Logik auseinander nahm in das Eine, das wirkt, und das andere, das wirklich ist. Nicht die räumliche Trennung, sondern die zeitliche Abfolge der Dinge war der Schlüssel seiner Lehre: Wohl ist alles Mögliche, was überhaupt geschehen kann, vorgeformt in der göttlichen Idee, nur was wirklich wird und geschieht in Folge dieser Idee, hängt nicht ab von der Idee allein, sondern ergibt sich in der Wechselwirkung der Dinge, die im Wirken des Einen schon zur Wirklichkeit gekommen sind.

Gott ist kein freier Kreator, was die Teile des Ganzen angeht, sondern an die Logik vom Ganzen gebunden. Anders gesagt, nur der Anfang ist frei, alles Weitere folgt der Lage der Dinge, die nach diesem Anfang sich ergeben. Das verhält sich analog zu einer menschlichen Handlung, als Beispiel ich springe in den Fluss, was noch meine freie Entscheidung ist, doch bin ich einmal darinnen, dann bin ich nur noch bedingt frei, denn ich muss schwimmen, um nicht zu ertrinken, und achten, dass ich nicht übel anstoße oder abgetrieben werde. Wobei ich natürlich niemals vollständig vorhersehen kann, was im Fluss alles auf mich zukommt. Was den Unterscheid ausmacht zum göttlichen Wirken, denn in Gott sind alle Möglichkeiten bereits von Anfang gewusst und nach der Idee vom Ganzen austariert. Leibniz nennt das die „prästabilisierte Harmonie“, die in jedem einzelnen Ding eigens wirksam ist und insgesamt „die beste aller möglichen Welten“ am Laufen hält, denn, wie er sagt, alles, „was in dieser wirklichen Welt geschieht, war schon in der Idee dieser Welt als bloße Möglichkeit mitsamt seinen Wirkungen und Folgen vorgestellt“ (Th. 1.T, 54)

Das Argument des Üblen oder Schlechten, das es doch auch gibt, wiegt dagegen nichts auf nach Leibniz, denn es mag in den Teilen manches übel wirken, was nach der Idee vom Ganzen doch gut ist, weil es in der Tat zum Besseren führt. Die Fehler und das Üble gehören dazu, das sind keine Defizite des menschlichen Verstandes, der (noch) zu wenig Wissen hat (Descartes) oder zu schwach wäre, dem Ganzen zu folgen (Spinoza), sondern unvermeidliche Teile im bestmöglichen Ganzen, weil vieles Gute, wie zum Beispiel die Rettung in der Not, nur wirklich sein kann, wenn der Notfall eintritt. Kurz gesagt, ein Ganzes kann als ein Ganzes insgesamt besser sein, obwohl es schlechte Teile enthält, als ein anderes Ganzes, das nur gute Teile in sich trägt. Das ist nur logisch, denn wäre alles gut, könnte in der Tat kein Mensch etwas Gutes bewirken und eine sittliche Handlung um des besseren Ganzen willen wäre ausgeschlossen. Gott braucht den Teufel, um selbst gut sein zu können, und der Mensch braucht das Böse, um selbst Gutes tun zu können.

Leibniz radikalisiert damit die Logik des Unterschieds, in der ein Ding das andere nötig hat, um das eigene Sein zu begreifen, zu einer Logik der Gegensätze. Die Idee der Einheit des Verschiedenen nach dem „Prinzip des Besten“ (Th. V. S. 27) gibt seiner Vernunft die Richtung. Eine Vernunft, die ebenso mit dem Guten als mit dem Üblen zu rechnen hat, denn das wirklich Gute ergibt sich nach dem Gesagten in der Vereinigung beider Teile. Diese prästabilisierte Existenz folgt ihren Anlagen entsprechend dem großen Weltenplan. Es gibt insofern keine sinnliche Verbindung zwischen den Dingen nach Leibniz, was seine Theorie so besonders macht. Alles, was denkbar ist, wirkt als einfache Substanz, abgeschlossen als Monade, und die habe keine Fenster, wie er sagt.

Die Beziehung der Dinge untereinander folgt der im Anfang der Welt festgelegten Harmonie zwischen dem einen und dem anderen. Wir verstehen uns gemäß dem Muster unserer Schöpfung, das betrifft sowohl unser Selbstverständnis als auch unser Verstehen im Miteinander. Den Kontakt eines Dings unter Dingen, wie wir ihn empfinden und fühlbar wirklich haben, braucht es gar nicht und kann es nicht einmal geben, weil jeder Einfall des Begriffs nur einen Aspekt des einen Dings vorstellt, das insgesamt in der Menge seiner Teile auf ewig beschlossen liegt in Gott.

Das ist die radikale Antwort, die Leibniz auf Descartes gibt, womit zugleich gegen Spinoza gesagt ist, dass Gott und die Natur zweierlei sind, weil Wirkendes und Bewirktes zweierlei sind, und gegen Malebranche, dass Gott nicht ständig einzugreifen braucht, um diese Welt zu halten in Richtung des Besseren, weil sie von Anfang an in ihrem Lauf bestimmt ist. Dass darin auch Übel vorkommen, bedeutet keinen Widerspruch gegen die Güte Gottes, sondern das ist der Kompromiss, den Gott (und der Mensch) nach der Logik des bestmöglichen Ganzen einzugehen hat, soll überhaupt etwas und nicht nichts wirklich sein.

Der große Wurf des Leibniz ist die Einbindung aller Inhalte, die der Mensch denken kann, in die eine Idee, die er Gott nennt und praktisch ausführt im Begriff der Vernunft. Er nimmt Vernunft nicht als bloßes Recheninstrument, zu dessen Ausübung die Inhalte erst noch beizubringen wären, sondern als umfassendes Vermögen an Gedanken, an dem jeder Einzelne seinen besonderen Anteil hat: „Weil aber diese unsere Teilvernunft eine Gottesgabe ist, die uns als lumen naturale inmitten der Verderbnis erhalten geblieben, so entspricht dieser Teil dem Ganzen nur wie ein Tropfen vom Ozean oder besser wie das Endliche vom Unendlichen“ (Th. EA 61).

Verderbnis, das meint den Mangel oder besser eine Beraubung an Gutem, die nach Leibniz daraus folgt, dass der Mensch in seiner endlichen Teilvernunft näher oder weniger nahe an die überlegene göttliche Vernunft herankommen kann: „An einem bestimmten Orte stehen bleiben und nicht weiter gehen, irgendeine Beobachtung nicht machen, das sind alles Beraubungen“ (ET. 32), nämlich des natürlichen Lichtes der Vernunft. Gott muss all diese Fehler einräumen, um das Richtige klar und deutlich vor Augen zu bringen. Was in der Moral gilt, gilt gleich für das Wissen: Das Richtige ergibt sich nach der Summe des Falschen. Das bringt Leibniz in die Nähe der platonischen Dialektik, die ebenfalls das Positive in der Verneinung des Negativen herausarbeitet. Salopp gesagt, Leibniz versenkt den platonischen Himmel in die Köpfe der Leute, sodass jeder selbst wissen kann, was zum Besseren führt, wenn er sauber und folgerichtig nachdenkt, was das Ganze ist. Doch nicht das Gefühl ist der Leitfaden, im Gegenteil bringen Gefühle nur verworrene Vorstellungen hervor, wie schon Descartes befand, was zählt, ist die Logik, die bei klarem Nachdenken deutlich macht, was sich fügt oder im Gegenteil sich verweigert, nicht passt.  

„Das Übel entspricht also dem Schatten, und nicht nur Unwissenheit, sondern sogar Irrtum und Arglist bestehen der Form nach in einer gewissen Beraubung“ (ebd.), die Folge der Beschränkung an natürlichem Licht ist. Und wie Licht ohne Schatten nicht bemerkbar wäre, wäre das Gute ohne das Übel nicht erkennbar. Dennoch kann es Hilfe geben im Dunkeln, nämlich in dem, was Leibniz als gläubiger Protestant den Lichtstrahl der Gnade nennt, eine Ergänzungswelt des Glaubens, die den natürlichen Mangel ausgleichen kann und als einziges Moment des Ganzen jeder Erklärung absolut unzugänglich ist. Im Übrigen der Punkt, weshalb Leibniz das Übel und das Böse, ja, das Teuflische über die Logik hinaus noch nötig hat in seiner Konstruktion von Welt, denn anders hätte die göttliche Gnade keinerlei Gegenstand und Gott könnte gemäß dem Vorgang des Descartes restlos verschwinden im rationalen Kalkül einer rationalen Welt.

Was zählt bei Leibniz, ist die überlegene Stellung, die Vernunft als inhaltlicher Hort des Möglichen und zugleich Kriterium des Richtigen gewinnt. Eine Vernunft, die in jedem Menschen anteilig und eigenständig wirksam ist, wenn immer er nachdenkt. Was den Begriff der Person nach vorne bringt, die zwar nicht frei ist im Handeln in der Welt, weil hier agiert sie notwendig nach der Art des Ganzen, von dem sie ein Teil ist, die aber doch für sich selbst frei ist und das Recht dazu hat, für sich zu entscheiden, was gut und besser ist. Eine freie Person in Gedanken, die beschränkt in ihrer Endlichkeit nur beschränkt wissen und verstehen kann, was wirklich ist. Allein im Licht der Gnade, die Leibniz in treuem christlichen Glauben als Teil des göttlichen Plans einbindet, vermag sich das Ganze in ihr abzubilden.

Wobei das Ganze, sprich die Welt, nach dieser Logik niemals besser sein kann, als sie jetzt gerade ist, weil sie ist in jedem Moment das beste Ganze, das möglich ist; die Bewegung der Dinge, wie wir sie erleben, bedeutet die Entwicklung dieses Besten, die endlos währt und als Ausdruck göttlicher Weisheit noch im schlimmsten Fall stimmig wirkt für den, der versteht und mitdenkt, was wirkt und wirklich ist.

Von einem Endzweck oder einem Ideal kann bei Leibniz keine Rede sein, denn in der Veränderung liegt die Wahrheit dieses Gottes, den er meint. Damit schließt er die Lücke zwischen der platonischen Idee im Himmel und der aristotelischen Gegebenheit der Dinge im cartesischen Punkt des Ich, das denkt, was Sache ist, und hebt das Individuum, das nach eigenem Verstehen tut, was es tun muss, auf den Thron. Denn die göttliche Vernunft wirkt anteilig und in gleichem Maße in jedem Menschen. Was der Person guten Grund liefert, gegenüber jedweder etablierten Ordnung die eigene Position zu vertreten und sich argumentativ einzubringen.

Die entscheidende Umschichtung für die neueste Zeit liegt in der Verschiebung des Schwergewichts auf den Menschen, wie es Descartes paradigmatisch im „Ich denke, ich bin“ vollzog. Immanuel Kant baute daraus das System des so genannten transzendentalen Bewusstseins. Das meinte ein selbständiges Denken, das der Anschauung die Gesetze vorschreibt, doch unbedingt Halt und Stütze in den Ideen braucht. Ideale Gebilde im Zugriff auf die Einheit des Verschiedenen, die man nach Kant keinesfalls dem Gefühl überlassen darf. Auch das wird noch Thema sein. Jedenfalls führt die Spur von Kant – mit dem Umweg Fichte/Hegel – zum einen weiter zu Phänomenologie und Existenzialismus, zum anderen zur analytischen und linguistischen Philosophie der Gegenwart. Alles Versuche, die Teile unter ein Prinzip respektive einen Leitfaden zu bringen.

Das Ganze war schließlich in Fluss gebracht und wieder eingefangen, war materiell und geistig bestimmt, in die Dialektik des Widerspruchs gekleidet und nach der Idee ausgerichtet worden. Im Ergebnis steht weiterhin der uralte Kampf um die Wahrheit, nur humanisiert und individualisiert, sodass zuletzt jeder selbst die Verantwortung trägt für das Gelingen oder Misslingen in eigenen Anstrengungen und Bemühungen. Nebenbei nimmt Wahrheit den Charakter des Erfolgs an, als ein Bewähren des Gedachten im Handeln. Ein Zug, der in der Reformation vollends durchbricht. Heute, in der modernen Gesellschaft, geht es um Bestätigung oder Ablehnung in den Ergebnissen des Tuns und Meinens. In Erfolg oder Misserfolg bestätigt oder widerlegt sich das Verstehen. Ein wechselnder, oftmals sprunghafter Prozess von Gelingen und Misslingen, nach dem eine Vorstellung als tauglich oder untauglich zur Verbesserung des Ganzen eingestuft wird.

Das Eine war zerfallen in viele, die jeweils Eins sind. Nach dem Vorbild der Mathematik reiht sich der Mensch auf in Summen, in Kopfzahl oder Bevölkerungszahl, in Quoten und Parteistärken. Wo bleibt die viel beschworene Einheit?

Das Denken oder die Sprache drängen sich als Einheitsstifter förmlich auf in einer Phase des Ganzen, in der die Idee ihren sachlichen Zusammenhang zu verlieren droht. Weil jeder ein wenig andere Dinge im Kopf hat, verschiedene Sachen überlegt und ins Auge fasst. Weil das Prinzip Einheit subjektiv und weltanschaulich interpretierbar geworden ist. Das Ganze hat, poetisch gesprochen, seine Weite aufgetan, und die Aufgabe der Einheit dem Menschen zugewiesen. Kein Mythos, kein Gott, die den gemeinsamen Sinn verbürgen konnten. Nein, das Ganze ist Projekt geworden und Arbeit für das Ganze zum Wert einer Gemeinschaft, deren Gutes notwendig in der Zukunft liegt. Im idealen Ziel der würdigen Existenz aller Teile der menschlichen Gemeinschaft.      


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© Arno Lundershausen